Amos Yahil
Der AstrophysikerAmos Yahil wurde 1943 in Tel Aviv geboren; seine Mutter war die Historikerin Leni Yahil, geb. Westphal, eine Urururenkelin Moses Mendelssohns; sein Vater der Politiker und Diplomat Chaim Hoffmann, der seinen Namen in Palästina zu Yahil hebraisierte. Amos hatte einen zwei Jahre jüngeren Bruder, Jonathan. Die kleinen Söhne waren dabei, wenn der Vater in Begleitung von Leni Yahil als Diplomat in Deutschland und in Skandinavien stationiert war. Amos Yahil wuchs in einem politisch ambitionierten, zionistischen Elternhaus auf. Von seinem Vater Chaim ist während dessen Aufenthalt als Gesandter in München die Äußerung überliefert, nach Deutschland zurückgekehrte Juden seien „nicht bereit“, sich den „korrumpierenden Fleischtöpfen Deutschlands zu versagen“. Ihr „provokatives“ Auftreten werde den Antisemitismus neu herausfordern. Leni Yahil schrieb 1961 an ihre damalige Freundin Hannah Arendt: „Mir persönlich ist der Aufenthalt in Deutschland ausserordentlich unsympathisch, ich vertrage einfach den Stil nicht mehr.“
Amos` jüngerer Bruder Jonathan fiel als Oberstleutnant 1967 während des Sechstage-Krieges in Jerusalem durch einen Scharfschützen. Der Ältere entschied sich für seine naturwissenschaftliche Leidenschaft. Unter den Danksagungen seiner Mutter, die dem Buch „Die Shoah. Überlebenskampf und Vernichtung der europäischen Juden“ vorangestellt sind, nennt die Autorin ihn als denjenigen, der dafür sorgte, „daß mir zu Hause die für die Arbeit nötige elektronische Technik bequem zur Verfügung stand“.
Amos Yahil studierte an der Hebräischen Universität in Jerusalem, kam 1966 in die USA und promovierte als Physiker am California Institute of Technology, wo er, wie später bis 2008 an der Stony Brook University im Staat New York, als Professor lehrte. Seine 1974 (mit Ostriker und Peebles) veröffentlichten Forschungsergebnisse zur Existenz einer ausgedehnten Menge dunkler Materie in Galaxien wurden von der American Astronomical Society als eine der wichtigsten Publikationen im 20. Jahrhundert ausgewählt. 1997 gründete Yahil, parallel zu seiner akademischen Karriere, eine Firma zur kommerziellen Verwertung seiner in der Astrophysik entwickelten Bildprozesse. Seit 2006 heißt die Firma, an deren Spitze er steht, ImageRecon LLC. Dort werden Prototypen für medizinische Bild-Software entworfen, die – produziert von Siemens – derzeit bei 10 Millionen Patienten weltweit zur Anwendung kommen.
Vorausgegangen war diesen Erfindungen für die medizinische Praxis eine sensationelle astronomische Entdeckung. Bereits in den 1980er Jahren hatte Amos Yahil im Lick Observatorium der University of California auf Mount Hamilton in San Jose die Ausdehnung des Universums erforscht. An der Stony Brook University im Staat New York entdeckt er im Dezember 1995 (mit Lanzetta und Fernández-Soto) bei einer zehntägigen Observation die beiden am weitesten von der Erde entfernten Galaxien, indem sie die Daten des die Erde umkreisenden Hubble-Weltraumteleskops mit einer neu erfundenen Methode auswerten.
Unter Bildern von rund 2500 Galaxien erkennen sie mehrere Dutzend, deren Charakteristiken darauf hinweisen, daß sie sich in größerer Distanz zur Erde befinden als alle zuvor gesehenen Galaxien. Sechs von ihnen scheinen sogar weiter entfernt als die bisherigen Rekordhalter in puncto Distanz, die am weitesten entfernten Quasars (= quasi-stellar radio source = sternartige Radioquelle = aktive Kerne einer Galaxie, vermutlich Schwarze Löcher, umgeben von einer leuchtenden Scheibe Materie). Die neu entdeckten Galaxien dürften schon existiert haben, als das Universum erst fünf Prozent seines aktuellen Alters aufwies. Sie haben sich in einer frühen Entstehungsphase formiert, nur wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall. Von diesem Prozeß vermitteln die „Hubble Deep Field“-Bilder im Dezember 1995 erstmals eine Ahnung. Sie sind vier Milliarden mal schwächer als mit dem bloßen Auge zu sehen. Bei der Auswertung Anfang 1996 benutzte das Team von Amos Yahil an der State University of New York at Stony Brook eine neue Technik, die auf Farben der Galaxie basierte, um die Rotverschiebungen bei extrem schwach erscheinenden Milchstraßen zu messen. Das Licht der entferntesten Sternen-Ansammlungen im „Hubble Deep Field“ war vor 15 Milliarden Jahren auf seine Reise in Richtung unseres Sonnensystems gegangen, seine Wahrnehmung heute stellt also eine Reise durch Zeit und Raum dar, durch die Entstehung des Universums und durch 95 Prozent der Geschichte von Formung und Entstehung seiner Galaxien.