Franz von Mendelssohn der Jüngere
Der VorsitzendeVater: Franz von Mendelssohn
Mutter: Enole von Mendelssohn
Geschwister: Robert von Mendelssohn
Aber nach dem Tod des Vaters trat Franz 1889, auf Bitten seines Bruders, in das Familienunternehmen ein und wurde 1892 Teilhaber. Schon zehn Jahre später, 1902, wurde er in die Leitung der neugegründeten Berliner Handelskammer gewählt. Fortan reihte sich eine Führungsposition an die andere. Es waren seine Kompetenz und sein ausgleichendes Wesen, die ihn für Aufgaben dieser Art prädestinierten und ihn, nach den Worten des Reichskanzlers und Reichsbankpräsidenten Hans Luther, als „geborenen Vorsitzenden“ erscheinen ließen. Von unschätzbarem Wert war dabei, daß sich Franz von Mendelssohn nach dem Ende des Krieges und der Revolution von 1918 vorbehaltlos auf die Seite der jungen Republik stellte und sie gegen Angriffe von innen durch Extremisten von links und rechts sowie von außen, vor allem vor Gebietsansprüchen Polens, verteidigte.
Es gelang ihm, gleichzeitig die Mendelssohn-Bank durch den Umbruch von 1917/18 zu führen, auch indem er mit Rudolf Löb einen ausgesprochen fähigen Einzelprokuristen zum Teilhaber machte, der fortan, zusammen mit Mendelssohns Schwiegersohn Paul Kempner, den Großteil der Bankarbeit übernahm. 1921 wurde Franz von Mendelssohn zum Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages, 1931 schließlich zum Präsidenten der Konferenz der Internationalen Handelskammer gewählt – als erster und bislang einziger Deutscher, dem diese Auszeichnung zuteil wurde.
Während der Hyperinflation der frühen 1920er Jahre nutzte Franz von Mendelssohn seine Fähigkeiten und Kontakte, um das Vermögen einer Reihe gemeinnütziger Organisationen zu retten, als deren Schatzmeister er wirkte. Herausragendes Beispiel dafür ist die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, die heutige Max-Planck-Gesellschaft, um deren Finanzen er sich von der Gründung der Organisation 1911 bis zu seinem Tod kümmerte. Auch in den Bereichen der Kunst- und Kulturförderung engagierte sich Franz von Mendelssohn, selbst ein Sammler moderner Malerei und, ungeachtet seines enormen Arbeitspensums, ein passionierter, exzellenter Violinist.
Ungeachtet seines christlichen Glaubens – Franz war Patronatsherr in der evangelischen Grunewald-Gemeinde – fühlte er sich seinen jüdischen Vorfahren stets verbunden. Das zeigte sich in der Mitgliedschaft in jüdischen Vereinen, wie z. B. im Hilfsverein für jüdische Studierende, ebenso wie in seinem Engagement anläßlich des 200. Geburtstags seines Urgroßvaters Moses im Jahr 1929. Bei der Schaffung der Moses-Mendelssohn-Stiftung für Geisteswissenschaften anläßlich dieses Jubiläums arbeitete er eng mit der Israelitischen Kultusgemeinde in Dessau zusammen. Die Stiftung förderte Wissenschaftler unabhängig ihrer Religion, darunter auch Juden wie den Philosophen Herbert Marcuse.
1931/32 sah sich Franz von Mendelssohn aus Gesundheitsgründen gezwungen, einen Großteil seiner Ämter niederzulegen. Er wurde aber in der Handelskammer zum Ehrenpräsidenten gewählt. Seinen Nachfolger hinderte das nach der Machtübertragung an Hitler im Januar 1933 nicht daran, ihn bei einem Empfang kurzfristig telephonisch auszuladen, denn „der Führer hat sich angemeldet“. Franz von Mendelssohn starb 1935, drei Monate vor Verabschiedung der Nürnberger Rassengesetze, nach langer, schwerer Krankheit. Sein Tod war für viele Familien- und Geschäftsfreunde sowie politische Weggenossen Anlaß, ein letztes Mal öffentlich ihre Verbundenheit mit den Mendelssohns, mit ihren Werten und Traditionen zu bekunden, bevor die Familie und ihr Bankhaus von den Nationalsozialisten zerschlagen wurden.